Donnerstag, 4. Juni 2015

Vor welchen Herausforderungen steht unser Schulprojekt?



In Ghana ist der Besuch der Basic School, die 2 Jahre Kindergarten, 6 Jahre Primary School und 3 Jahre Junior High School einschließt, kostenlos. Für die Zulassung zur dreijährigen Senior High School muss eine Prüfung, die Basic Education Certificate Examination (BECE), absolviert werden. Außerdem müssen nun Schulgebühren bezahlt werden.
Obwohl das Erziehungsministerium die Schulgebühren für die Senior High Schools in einem gewissen Rahmen kontrolliert, führen steigende Lebenshaltungskosten und Währungsverfall zu einem kontinuierlichen Anstieg. Sogar wer in der Nähe einer Senior High School lebt und für seine Kinder nicht auf die teure Internatsunterbringung angewiesen ist, sieht sich zu Beginn jedes „Terms“ - also drei mal pro Schuljahr – zuweilen für mehrere Kinder mit einer Rechnung konfrontiert, die selbst Mittelschichtseltern schwer zu schaffen macht. Von vielen Bewohnern Wurupongs können die Beträge, um die es dabei geht, gar nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten aufgebracht werden.
Die Nkonyaman Foundation hatte bereits in den letzten Jahren einzelne Stipendien vergeben. Im vergangenen Jahr haben nun 23 Schülerinnen und Schüler das Basic Education Certificate Examination (BECE) bestanden. Dieser erfreuliche, aber aus finanzieller Sicht dramatische Erfolg unseres Schulprojekts zwingt dazu, das Thema „Stipendien“ neu zu überdenken.

Die BECE-Besten der drei JHS-Schulen erhalten einen Buchpreis mit Urkunde

Wenn in Ghana von Stipendien die Rede ist, dann werden üblicherweise als Auswahlkriterien  "brilliant and needy" genannt, d.h. es geht sowohl um schulische Leistung als auch um Bedürftigkeit.

  • Kriterium: Schulische Leistung
    Seit dem Speech-and-Prize-Giving-Day im Oktober 2014 wird in Wurupong für den besten Absolventen in der BECE-Prüfung ein volles Internatsstipendium für die 3 Jahre Senior High School vergeben.
    Die BECE-Prüfung, die über den Zugang zur Senior High School entscheidet, wird landesweit und zentral von einem staatlichen Prüfungsamt durchgeführt. Die Ergebnisse können von den Kandidaten über das Internet eingesehen werden. Das School Management Committee und auch die Nkonyaman Foundation können sich über die Prüfungsergebnisse über den District Director of Education informieren. Der Leistungsaspekt ist hier entscheidend, d.h. die Schülerin bzw. der Schüler mit dem besten Prüfungsergebnis  erhält das Stipendium.
  • Kriterium: Bedürftigkeit
    Auch hier spielt Leistung eine Rolle, aber die finanzielle Situation steht im Vordergrund. Für die Bewertung der schulischen Leistung lässt sich mit dem Prüfungsergebnis ein objektives Kriterium heranziehen. Für Hinweise auf die Bedürftigkeit ist man dagegen auf Informationen von Lehrern, Verwandten oder engagierten Mitbürgern angewiesen. Im letzen Jahr machte z. B. eine Lehrerin auf eine sehr gute Schülerin aufmerksam, für die aufgrund ihrer familiären Umstände - sie ist Vollwaise -  ohne Hilfe ein Zugang zur Senior High School nicht möglich gewesen wäre. Da sie „nur” das drittbeste Prüfungsergebnis Wurupongs erzielt hatte, kam das reine „Leistungs“-Stipendium für sie nicht in Frage. Die Überschaubarkeit Wurupongs mit ca. 5000 Einwohnern wirkt dabei als Korrektiv gegen unwahre  Angaben.
  • Hilfe in akuten Notlagen
    Während nach den obigen Kriterien Absolventen des BECE-Examens ihr Stipendium für die vollen drei Jahre der Senior High School erhalten, sollte es daneben die Möglichkeit zur Hilfe in akuten Notlagen geben. Eine solche Situation kann sich ergeben, wenn eine Familie es zwar geschafft hat, die Schulgebühren für das erste Jahr der Senior High School aufzubringen, aber z.B. durch Krankheit oder Tod finanziell so belastet wird, dass der Schulbesuch abgebrochen werden müsste. Vom Einzelfall hängt es ab, ob in solchen Fällen Vollstipendien vergeben werden oder ob die Notlage mit einem Teilstipendium behoben werden kann. Neben der Bedürftigkeit spielen auch hier die schulischen Leistungen, abzulesen an den End-of-Term-Reports, eine Rolle.

Für den Vorstand der Nkonyaman Foundation stellt sich die Frage, von welchen Vorgaben man bei der Stipendienvergabe ausgehen soll und wie die genannten Kriterien jeweils zu gewichten sind.
Bisher planen wir pro Jahr ein neues Vollstipendium für den besten Absolventen der BECE-Prüfung Wurupongs. Das beste Prüfungsergebnis entscheidet.
Die nicht ausschließlich leistungsbezogenen Stipendien, die aufgrund finanzieller Notlagen bewilligt werden, lassen sich nicht exakt vorausplanen. Die Mittel im „Stipendientopf“ entscheiden letztendlich über die Möglichkeit, hier zu helfen. 
Bei der Vergabe neuer Stipendien muss im Blick behalten werden, welche finanziellen Mittel notwendig sind, um die aktuell geförderten Stipendiaten bis zum Ende ihrer dreijährigen Senior-High-School-Zeit weiterhin zu unterstützen. Ebenso wichtig ist es, dass die Aktivitäten zur Leseförderung und Lehrerfortbildung fortgeführt werden.
Da die Anmeldung zur Prüfung mit der Wahl einer bestimmten Senior High School gekoppelt ist, und da die Schulgebühren der Schulen unterschiedlich ausfallen können, muss für jedes Schuljahr neu geplant und gerechnet werden. Für das Schuljahr 2014/15 liegen die Zahlen nach Abrechnung des 3. Terms jetzt vor. Für ein Jahres-Vollstipendium (3 Terms mit Internatsbesuch) mussten zwischen 456 und 473 Euro ausgegeben werden.
Jeweils spätestens im Oktober, vor Beginn des neuen Schuljahres, wird die Nkonyaman Foundation einen Überblick über die Stipendienvergabe des vergangenen Schuljahres mit den entsprechenden Belegen der NGO „Rainbow over Ghana“ und dem Verein “Cultural Diversity” vorlegen. Gleichzeitig soll eine Liste mit möglichen neuen Stipendiaten Aufschluss über die in diesem Bereich geplanten Aktivitäten geben. 

Wir danken den beiden Vereinen und der evangelischen Kirchengemeinde Koblenz-Pfaffendorf sowie allen Personen, die das Schulprojekt in Wurupong begleiten und unterstützen.

Zum Schluss eine Geschichte, in der es um eine Petroleumlampe und das fehlende Schulgeld geht. Die Geschichte über „Agis Lampe“ spielt vor mehr als 60 Jahren. So, wie es Opepe damals ergangen ist, der alle Aufgaben am schnellsten löste und dennoch froh sein musste, dass er als Hilfsarbeiter im Straßenbau eine Arbeit fand, kann es auch heute noch Kindern aus Wurupong ergehen.

Agis Lampe

Früher sollen die Schulen in Ghana ja viel besser gewesen sein - auch die Schulen auf dem Land. Ob das wahr ist, kann ich nicht beurteilen. Sicher aber ist, auch damals waren verschiedene glückliche Umstände nötig, damit ein Kind aus Wurupong eine Sekundarschule besuchen und einen einträglichen Beruf ergreifen konnte.

Cousine Agi war es gelungen, ihre Mutter zu überreden. Nach Abendessen und Abwasch durfte sie die Petroleumlampe der Familie in Beschlag nehmen. Seither trafen sich jeden Abend im Lichtschein der Lampe: Agi, Peter, Clemens and Opepe. Die vier Schulfreunde hatten sich geschworen, die Aufnahmeprüfung für die Sekundarschule zu schaffen. Sie lernten nun gemeinsam, halfen sich gegenseitig und lösten zusammen frühere Prüfungsfragen.
Der nächtliche Arbeitseinsatz, Motivation und gegenseitige Unterstützung führten zum Erfolg. Alle bestanden die Prüfung.
Und wie ging es weiter?
Agi wurde Bankangestellte bei der Ghana Commercial Bank und arbeitete lange in Takoradi. Als sie in Rente ging, kaufte sie von ihrer Abfindung ein Trotro* und ein Taxi und startete ein erfolgreiches Transportgeschäft in Hohoe.
Clemens wurde Gerichtsschreiber am Supreme Court in Accra. Nach einem auskömmlichen Berufsleben kehrte er nach Wurupong zurück, um hier seinen Lebensabend zu verbringen.
Peter machte eine Lehrerausbildung, studierte dann in Legon und machte seinen PHD in Hamburg. Nach seiner Rückkehr unterrichtete er an der University of Ghana bis zu seiner Pensionierung.
Nur Opepe, der immer als erster die Matheaufgaben gelöst hatte, bevor er seinen Freunden half, hatte Pech. Er stammte aus einer bettelarmen Familie und es gab niemand, der ihm hätte helfen können oder wollen, das Schulgeld für die Sekundarschule aufzubringen. Schliesslich fand er eine Anstellung als Hilfsarbeiter beim Strassenbau. Er starb vor seinem 40. Geburtstag.
Und die Moral dieser wahren Geschichte?
Weder Intelligenz, noch Ehrgeiz, noch Arbeitswille und nicht einmal eine Petroleumlampe für das Lernen in finsterer Nacht reichen aus, wenn im entscheidenden Augenblick die finanzielle Unterstützung fehlt.
(Aufgeschrieben von Ingrid Lipka-Fordjor)

* Totro: In Ghana Bezeichnung für ein Sammeltaxi

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