Sonntag, 25. Dezember 2011

Zwischen deutscher Materialflut und ghanaischer Schulrealität


Reflexionen über meine Praktikumserfahrungen in Wurupong
     Amelie Peters (Roman Catholic Primary School, Class 5)

Ich bin mit einem Koffer voller Unterrichtsmaterialien nach Ghana gekommen, von denen ghanaische Lehrer nur träumen können - 25 bunte Arbeitsmappen mit der afrikanischen Kindergeschichte „Cat in Search of a Friend“ und dazu passende Aufgaben zur Förderung des Leseverstehens waren das Herzstück meines Gepäcks. Dazu kamen laminierte Tierfotos, Wasserfarben, Buntstifte und vieles mehr. Kein Wunder also, dass die Lehrkräfte in Ghana unsere Mitbringsel zwar mit einem höflichen Dank entgegen nahmen, sich aber das Stirnrunzeln teilweise nicht verkneifen konnten. Mit einer solchen Ausstattung, so schienen sie zu denken, sei es ja keine große Herausforderung gelungene Unterrichtsstunden abzuliefern. Angesichts der üblichen Standardausrüstung jedes ghanaischen Lehrers bestehend aus einem Stück Kreide, einer Tafel und einem Buch mit Unterrichtsvorgaben handelt es sich hierbei um einen berechtigten Einwand.

Auf der anderen Seite haben die Schüler und Schülerinnen der fünften Klasse meiner Praktikumsschule, der Roman Catholic Primary School, ihre persönlichen Arbeitsmappen gehütet wie einen Schatz. Da Bücher in den meisten westafrikanischen Haushalten eine Seltenheit sind, stellten die Mappen für viele das erste eigene Kinderbuch dar. Besonders mit einem Blick auf die erheblichen Leseschwierigkeiten, die ich bei einigen Schülern beobachten konnte, war es mir eine Freude zu sehen, wie viele von ihnen neugierig in den Ordnern blätterten, um den weiteren Verlauf der Geschichte zu erfahren. Mein Ziel, das Leseverstehen der Kinder zu fördern, habe ich aufgrund ihrer unterschiedlichen Lernstände nur zum Teil erreicht, aber mithilfe der Ordner scheint es mir zumindest gelungen zu sein, die Freunde am Lesen von Geschichten zu wecken.

Auch eine andere Säule meines Unterrichts wäre ohne die aus Deutschland gespendeten Unterrichtsmaterialien vermutlich nicht möglich gewesen – das gemeinsame Malen und Zeichnen.
Unter anderem habe ich mit den Schülern und Schülerinnen zusammen ein gemeinsames „Klassenmosaik“ gestaltet, das sich aus vielen einzelnen mit Wasserfarben gemalten Bildern zusammensetzte. Das Bild hat nicht nur etwas Farbe an die sonst so kargen Raumwände gebracht, sondern sich auch positiv auf die Klassengemeinschaft ausgewirkt.

Besonders gefreut hat es mich, dass auch die leistungsschwachen Schüler beim Malen die Möglichkeit hatten, ihr Können unter Beweis zu stellen. Der Spaß an dem im Schulalltag oft vernachlässigtem kreativen Arbeiten und der Stolz auf die eigenen Werke war allen deutlich anzusehen.


Obwohl die zahlreichen mitgebrachten Materialien eine positive Verwendung gefunden haben,  würde ich bei einem weiteren Praktikum dieser Art eine bewusstere Auswahl der Unterrichtsmaterialien treffen und nur das benutzen, was tatsächlich von elementarer Wichtigkeit ist. Sicher, laminierte Fotos sind schön anzuschauen, aber setzen sie in Schulen ohne Stromanschluss ein richtiges Signal an die heimischen Lehrer und Lehrerinnen?
Eine zu große Fülle an Materialien ist in meinen Augen angesichts des regulären Ablaufs des ghanaischen Schulalltags nicht angemessen und kann möglicherweise unterschwellige Vorbehalten provozieren.


Praesentationstafel fuer den 'Speech and Prize Giving Day'






























Nicht nur im Hinblick auf die Verwendung von Unterrichtsmaterialien sondern auch in vielen anderen Bereichen haben sich meine Denkweisen durch das Praktikum in Wurupong sehr verändert. Der Perspektivwechsel durch den Kontrast zwischen der deutschen und der ghanaischen Lebens- und Arbeitsweise war für mich eine sehr wertvolle und prägende Erfahrung.



Meine Zeit in Ghana, vor allem aber „meine“ wunderbaren und lebensfrohen Schüler und Schülerinnen, werde ich immer in guter Erinnerung behalten.
Ich habe von ihnen mindestens genauso viel gelernt wie sie von mir – vermutlich sogar mehr!





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