Samstag, 6. November 2010

Rückblick auf Märzprojekte (1)

Rückblick auf die Projekte, die vom 13. bis 20. März von Flensburger Studenten unter der Leitung von Professor Bea Lundt an den Schulen Wurupongs durchgeführt wurden.

Das hätte ich mir denken können: Als der Blog startete, fünf Monate nach dem Ghanaaufenthalt,  waren die Teilnehmer der Flensburger März-Gruppe alle in anderen Zusammenhängen tätig und zeitlich gebunden. Es war daher nicht ganz leicht, nachträglich Material zusammenzustellen.  Was sich jetzt noch sammeln ließ an Berichten und Bildern, lässt aber erahnen, wie gut die Projekte ankamen.
Die einzelnen Projektberichte  sind von den Autoren namentlich gekennzeichnet. Die Bilder stammen von Sven Ellerbrock


"My History“: Projekt in Schulen einer ländlichen Region, dem Ort Nkonya Wurupong
(Prof Bea Lundt)
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..Schülerinnen und Schüler des Ortes sind an weitgehend reproduktive Unterrichtsformen gewöhnt und erhalten nur wenig Unterstützung durch ihre Eltern. Ziel war es daher, die örtliche Gemeinschaft für die Arbeit der Kinder zu interessieren und das Bewußtsein für die Wichtigkeit eines subjektiven Lernens und Verarbeitens von Unterrichtstoff zu sensibilisieren; Lehrerinnen und Lehrer sollten Angebote für handlungsorientiertes Arbeiten erhalten. Eine Veranstaltung für Schulleiter und Mentoren stand am Anfang: die Projektidee wurde vorgestellt und erläutert und die Schulen konnten sich für ein Teilprojekt entscheiden, das von jeweils zwei Studierenden vorgestellt wurde. Die Gruppe aus Flensburg arbeitete in 4 Klassen und präsentierte die Ergebnisse (Bilder, Geschichten) auf Stellwänden im Gemeindezentrum. Die Arbeitsproben wurden ergänzt durch Fotos, die den Prozess der Entstehung dokumentierten und die Beteiligten bei der Arbeit zeigten...

Teilprojekt Lundt im Rahmen des Schulprojektes in Wurupong: Im Rahmen des Unterrichtsprojektes in Wurupong übernahm ich einen 6. Jahrgang der Wurupong RC Primary School.  Als Ausgangsstimulus  zeigte ich Fotos aus meiner Kindheit und beschrieb den ersten Schultag als wichtiges Ereignis in meiner Biographie. Die Frage nach vergleichbaren  „wichtigen Ereignissen“ im Leben der Eltern und Großeltern wurde bald transzendiert auf die eigene Lebenswelt. Ich stellte den Schülerinnen und Schülern die Aufgabe, einen besonders wichtigen Tag im eigenen Leben in Geschichten und Bildern zu gestalten. Sie malten Bilder und schrieben Geschichten über zentrale Erfahrungen ihres Lebens: eine Reise in die Hauptstadt Accra, die Teilnahme an einem Fußballspiel, die erste Begegnung mit technischen Geräten wie PCs, aber auch Familienfeste. Eine bedrohliche Szene und Selbstwahrnehmung  gestaltete der junge Lehrer: Er malte ein Bild, das ihn auf einem Ast zeigte, den er sich selber absägte; ein Hinweis auf die prekäre Situation einer gut ausgebildeten Lehrperson, die sich ohne Aufstiegschancen in einen kleinen Ortverbannt sieht, der weitgehend völlig unausgestattete Schulen hat. 

Abschließend wurde  im Klassengespräch versucht, das Leben unmittelbarer Bezugspersonen und auch das eigene Leben als Teil von „Geschichte“ und als wertvollen Gegenstand von Unterricht zu definieren.  Die Zielperspektive war es, Historie nicht als ein verordnetes Korsett aus Daten und Fakten über fremde und ferne Vorgänge „großer Männer“ zu verstehen, sondern Geschichte als einen Prozeß zu begreifen, an dem alle Menschen Anteil haben. Denn  Geschichtsbilder werden von den Menschen konstruiert, die bestimmte Orientierungsbedürfnisse mit ihnen verbinden. Dabei können die Bilder über dasselbe Ereignis angesichts der subjektiven Erfahrung durchaus kontrovers sein; es werden Perspektiven auch in der Öffentlichkeit, der „Geschichtskultur“, immer wieder neu verhandelt.  Über solche Fragen wurde gemeinsam nachgedacht.  Leider kam es aus Zeitmangel zu keinem Auswertungsgespräch mit der Klasse mehr im Anschluß an die Ausstellung, sodaß die Frage, wie die Kinder die Präsentation ihrer Arbeiten wahrgenommen haben, offen bleiben mußte. Doch hörten wir, Eltern seien so stolz gewesen auf die Produkte, die ihre Kinder in der Schule erstellt hatten, dass sie ihnen ein Ei gekocht hätten, eine besondere Delikatsse und grosse Ausnahme im täglichen Küchenzettel.





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